Das Interview wurde im Anschluss an einen kurzen Beitrag geführt. Der Beitrag zeigte einen sehbehinderten Optiker, der die OrCam My Eye 2 bei der Arbeit nutzt. Die KI-Technologie kann unter anderem Texte erkennen und vorlesen und die Umgebung beschreiben.
Glauben Sie, dass die Arbeitswelt für Menschen mit Behinderungen revolutioniert werden könnte? Und haben Sie Beispiele dafür, wie die Arbeit für Menschen mit Behinderungen erleichtert werden könnte?
„Ja, so wie in dem Beispiel, das wir gerade gesehen haben, haben wir in vergangenen Projekten – und auch im laufenden Projekt am DFKI – Technologien recherchiert, die Menschen mit verschiedensten Beeinträchtigungen helfen können. Das sind zum Beispiel Technologien, die Menschen mit Hörbehinderungen unterstützen können. Denken Sie an die Videokonferenzen, die hörbehinderte Menschen nicht hören konnten in der Coronazeit. Diese Technologien transkribieren in Echtzeit, was dort gerade besprochen wird. Inklusive der Anzeige, wer gerade spricht.“
Gibt’s auch was an der Werkbank, was revolutioniert wird?
„Ja, es gibt auch Möglichkeiten an der Werkbank. Zum Beispiel gibt es Smart Glasses. Das sind Brillen, die ins Sichtfeld der Augen verschiedene Arbeitsschritte oder Abfolgen einblenden. Das sind Geräte, die es schon für Menschen ohne Beeinträchtigung gibt. Zum Beispiel beim Einarbeiten in die Montage, um neue Mitarbeiter schnell anzulernen. Diese können aber auch für Menschen mit kognitiven Einschränkungen verwendet werden. Beispielsweise, indem sie beim Zusammenstecken von einem Halbleiter von der Brille langsam, Schritt für Schritt, angeleitet werden, welche Kabel sie zusammenstecken müssen.“
Blick in die Zukunft – könnten Menschen mit und ohne Behinderung mit Hilfe von KI die gleichen Jobs irgendwann ohne Unterschiede machen?
„Vielleicht wollen wir das gar nicht, dass wir alles ohne Unterschiede machen. Wir wollen die Individualität beibehalten, aber es geht tatsächlich darum, Menschen mit Behinderungen so zu inkludieren, in einer idealen Arbeitswelt an einem inklusiven Arbeitsplatz, dass wir dieselben Arbeitsplätze nutzen können. Wenn ich zum Beispiel als Mensch mit Behinderung einen Arbeitsplatz nutzen kann und selbstgesteuert sagen kann, wann ich Hilfe und Unterstützung brauche und wann nicht. Und am nächsten Tag kommt der andere Mitarbeiter oder Mitarbeiterin, die keine Behinderung hat und kann denselben Arbeitsplatz benutzen.“
Wie viel Prozent der Arbeitstätigkeiten glauben Sie, könnte denn KI überhaupt erledigen in Zukunft?
„Wie viel Prozent kann ich tatsächlich gar nicht sagen, es geht vor allen Dingen darum, dass KI unterstützt. Und zwar bei den Arbeiten, die wir vielleicht nicht ganz so gerne machen, bei den Routinearbeiten, um uns dann mehr Freiraum zu lassen, Sachen zu arbeiten, die die KI eben nicht kann. Emotionale Unterstützung zum Beispiel, kann die KI nicht so einfach leisten. Fachkräfte, die zum Beispiel Menschen mit Behinderungen betreuen, haben dann mehr Freiraum, individuell zu beraten oder zu unterstützen.“
Foto: Berit Blanc