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Neue Perspektiven für die berufliche Teilhabe: KI und digitale Technologien bei REHADAT

Im Bereich der beruflichen Teilhabe von Menschen mit Behinderungen trägt REHADAT als zentrales Informationsangebot in Deutschland maßgeblich zur Förderung einer inklusiven Arbeitswelt bei. Wir haben mit Mareike Decker und Patricia Traub von REHADAT gesprochen, um mehr über ihre Arbeit und die Rolle von Digitalisierung und KI bei REHADAT und der beruflichen Teilhabe zu erfahren.

Könnten Sie uns einen Überblick über das Projekt REHADAT geben? Welche Rolle spielt es in der beruflichen Rehabilitation und wie unterstützt es Betroffene, Unternehmen und Fachkräfte?

REHADAT ist das zentrale, unabhängige Informationsangebot zur beruflichen Teilhabe in Deutschland. Wir bieten praxisnahes und zielgruppenorientiertes Wissen in 14 themenspezifischen Internetportalen, ergänzt durch Broschüren, Videos, Infoblätter, Web-Apps, Seminare und Vorträge. Außerdem sind wir in den sozialen Medien aktiv und stehen regelmäßig mit relevanten Akteur*innen im Bereich Inklusion und Teilhabe im Austausch.

Wir sind bei REHADAT beide im Bereich Hilfsmittel tätig. Dort liegt ein besonderer Fokus auf assistiven Technologien und technischen Arbeitshilfen sowie auf deren Einsatzmöglichkeiten zur Förderung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. In diesem Kontext spielen innovative Technologien und Künstliche Intelligenz natürlich eine wichtige Rolle. Neben marktreifen Produkten zeigen wir in der Rubrik „Prototypen“ auch Hilfsmittel-Entwicklungen, die sich noch in der Erprobungsphase befinden. Außerdem kann man über unsere App-Suche anhand behinderungsspezifischer Begriffe den riesigen Markt an Apps in den gängigen Stores filtern.

Inwiefern kommen digitale Technologien oder Künstliche Intelligenz in REHADAT zum Einsatz?

Der Zugang zu unabhängigen und verlässlichen Informationen spielt eine zentrale Rolle, um Teilhabe und Inklusion zu fördern. Wir haben bereits KI-Lösungen in unterschiedlichen Bereichen implementiert und planen, den Einsatz künftig weiter auszubauen – zum Beispiel, um für unsere Nutzer*innen die Suche zu erleichtern und noch gezielter passende Informationen bereitzustellen. Da wir selbst eine enorme Informationssammlung haben, können wir diese als Basis für KI-Anwendungen nutzen. Das hat auch den Vorteil, dass die Informationsbasis einem hohen Qualitätsanspruch unterliegt und wir so Falschinformationen
auf ein Minimum reduzieren können.

Kurzum: Mithilfe von KI können wir die Bedienung unserer Angebote sowie die Qualität und Übersichtlichkeit der Ergebnisse weiter optimieren – und damit die Zugänglichkeit zu Informationen verbessern.

In welchen Bereichen sehen Sie das größte Potenzial für KI-Technologien in der beruflichen Reha?

Ein großes Potenzial liegt in der Kompensation oder Unterstützung sensorischer, motorischer und kognitiver Funktionen, wie Sprechen, Sehen, Hören, Greifen, Gehen und Lernen. Dafür gibt es bereits adaptive Hör- und Sehtechnologien, kollaborierende Roboter, Sprachumwandler, KI-gesteuerte Exoskelette und Prothesen oder KI-Lösungen in Kombination mit Datenbrillen. Dabei ist das Potenzial der KI für die berufliche Reha umso höher einzuschätzen, je gezielter sie sich an den Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen orientiert und damit Arbeitsprozesse stärker individualisiert.

Es müssen aber nicht immer speziell für Menschen mit Behinderungen entwickelte Hilfsmittel sein – auch marktgängige KI-Produkte wie ChatGPT oder DeepL können z. B. als Schreibhilfe, Übersetzungs- oder Recherchetool eingesetzt werden.

Es wäre grundsätzlich wünschenswert, wenn sich vielversprechende und vertrauenswürdige assistive KI-Lösungen nach ihrer häufig kostenintensiven Entwicklung auch auf dem Markt etablieren. Hierfür braucht es den Austausch zwischen Menschen mit Behinderungen, Forschung und Entwicklung sowie Hersteller*innen und Vertriebsunternehmen.

Bei allen Chancen, die mit lösungsorientierter KI für die berufliche Teilhabe einhergehen, möchten wir betonen, dass KI stets nur ein Teilaspekt von Inklusion sein kann: Innovative Technologien können Barrieren abbauen, die gesellschaftliche Verantwortung einer umfassenden Inklusionsstrategie ersetzen sie jedoch nicht.

Sehen Sie die Gefahr, dass KI-basierte Systeme bestehende Barrieren für Menschen mit Einschränkungen eher verstärken als abbauen?

KI-Systeme entwickeln ihre Inhalte und Funktionsweisen auf der Grundlage von Daten. Was eher selten vorkommt, wird mitunter nicht berücksichtigt. So könnte die Zuverlässigkeit herkömmlicher KI-Tools stärker schwanken, wenn persönliche Eigenschaften der Nutzer*innen nicht berücksichtigt werden. Ein Beispiel: Menschen, die weniger deutlich oder langsamer sprechen. Das kann bei Spracherkennungssystemen dazu führen, dass Sprachbefehle nicht korrekt verstanden oder transkribiert werden. Wenn Sprachmodelle also nicht auf unterschiedliche Sprechweisen trainiert sind, kann dies zur Ausgrenzung führen.

Ebenso kann selbst die Nutzung von KI-Tools durch Menschen mit Behinderungen und Erkrankungen eine Benachteiligung zur Folge haben: wenn sensible personen- oder gesundheitsbezogene Daten eingegeben werden, könnten KI-Tools diese Merkmale im Zweifel auch diskriminierend auswerten oder einsetzen. Strenge Datenschutzregelungen sind daher von zentraler Bedeutung.

Gleichzeitig sollte das Maß an technologischer Abhängigkeit im Blick behalten werden. Denn wenn Alltags- oder Arbeitsprozesse nur mit der eingesetzten KI-Technologie funktionieren, müssen für den Fall technischer Störungen oder Ausfälle alternative Lösungen entwickelt werden.

Barrieren und Exklusionsrisiken könnten sich zudem verstärken, wenn verwendete KI-Lösungen nicht barrierefrei beziehungsweise nicht mit betrieblicher und/oder individueller behinderungsspezifischer Software wie einem Screenreader kompatibel sind. Wichtig ist auch, dass alle Beschäftigten digitale Kompetenzen niedrigschwellig und barrierefrei erwerben können. Auch hier gilt: Um jegliche Risiken und Barrieren zu minimieren, ist es wichtig, dass Menschen mit Behinderungen frühzeitig bei der Entwicklung, Implementierung und Evaluation von KI-Tools einbezogen werden und diese aktiv mitgestalten können.

Welche Rolle spielen Daten und deren Qualität bei der Entwicklung erfolgreicher KI-gestützter Reha-Lösungen?

Je besser die Daten, desto besser die Ergebnisse, die eine KI liefert: Datenquantität und -qualität sind wichtige Voraussetzungen, um genaue und verlässliche Ergebnisse zu liefern und um KI-gestützte Lösungen optimal zu nutzen. Wie erwähnt, ist es dabei für die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen wichtig, dass KI mit Daten trainiert wird, die die gesellschaftliche Diversität abbilden.

Denn aus unserer Sicht kann KI ihr inklusives Potenzial nur dann entfalten, wenn Behinderung nicht als Defizit, sondern als Aspekt menschlicher Vielfalt verstanden wird und die Daten der KI dies widerspiegeln.

Inwiefern beeinflusst der Fachkräftemangel die Entwicklung und Einführung von KI in der beruflichen Reha?

KI kann eine inklusive Arbeitswelt fördern und dabei helfen, dem Fachkräftemangel aktiv zu begegnen. Unternehmen stehen vor der doppelten Herausforderung, qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen und erfahrene Fachkräfte langfristig zu binden. Gleichzeitig treten viele Behinderungen und chronische Erkrankungen erst im Verlauf des Erwerbslebens auf. Daher ist es für Unternehmen wichtig, frühzeitig präventive und unterstützende Maßnahmen einzuplanen und dabei auch den Blick für neue, technologiegestützte Lösungen zu öffnen.

Auch hinsichtlich des noch ungenutzten Fachkräftepotenzials von Menschen mit Behinderungen können sich Investitionen in behinderungsgerechte digitale Technologien und KI lohnen: Arbeitslose Menschen mit Schwerbehinderung sind häufig gut qualifiziert. Im Jahr 2023 hatten 53 Prozent der Arbeitslosen mit einer Schwerbehinderung einen Berufs- oder Hochschulabschluss. Dabei ist bei der Beschäftigung noch Luft nach oben. So erfüllten laut Bundesagentur für Arbeit 2023 lediglich 39 Prozent der beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber*innen ihre gesetzliche Beschäftigungsquote gemäß § 154 Abs. 1 SGB IX vollständig.

Diese Ausgangslage kann durchaus als ein Treiber für die Entwicklung und Einführung von KI für die berufliche Teilhabe gesehen werden. Dadurch könnten wiederum neue Berufe oder Tätigkeiten für Menschen mit Behinderungen in Unternehmen entstehen.

Wie nahezu alle Lebensbereiche steht auch die berufliche Teilhabe im Zeichen des Fortschritts durch digitale Technologien und KI. Diese Innovationen haben das Potenzial, Barrieren abzubauen und das Leben und Arbeiten inklusiver zu gestalten. Für die Vision einer chancengerechteren Arbeitswelt ist dabei die Zusammenarbeit aller Beteiligten entscheidend: von Nutzer*innen über Fachkräfte für Rehabilitation und Teilhabe, Arbeitgeber*innen und Forschende bis hin zu Unternehmen.

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